Hundetraining für erwachsene Hunde und "Problemfälle"

Hundetraining für erwachsene Hunde und "Problemfälle"

  • Hundetrainer
  • November 7, 2025
  • 4 Minuten

Es ist nie zu spät zu lernen, aber die Herangehensweise muss oft anders sein.

Die Besonderheiten beim Training erwachsener Hunde

  1. Geprägte Persönlichkeit: Ein erwachsener Hund hat bereits eine stabile Persönlichkeit, Vorlieben und Abneigungen. Der Trainer muss ihn so nehmen, wie er ist, und daran arbeiten.

  2. Vorgeschichte: Im Gegensatz zum Welpen hat ein erwachsener Hund oft eine (unbekannte) Vorgeschichte. Traumata, schlechte Erfahrungen oder einfach jahrelang eingeübte Verhaltensmuster spielen eine große Rolle.

  3. Eingefahrene Routinen: Unerwünschtes Verhalten (wie Ziehen an der Leine) wurde über Monate oder Jahre hinweg "erfolgreich" für den Hund praktiziert und ist zur festen Gewohnheit geworden.

  4. Lernfähigkeit ist ungebrochen: Das Wichtigste: Auch ein alter Hund kann neue Dinge lernen! Das Gehirn bleibt plastisch. Die Methoden müssen vielleicht angepasst werden (z.B. kürzere Einheiten, Rücksicht auf körperliche Einschränkungen), aber die Lernfähigkeit bleibt erhalten.

Häufige "Problemfälle" und der Lösungsansatz

Die Arbeit bei Problemverhalten folgt meist einem Dreiklang: Verstehen -> Management -> Gegentraining.

1. Angst und Unsicherheit

  • Beispiele: Angst vor Geräuschen (Gewitter, Feuerwerk), vor Menschen, vor anderen Hunden, vor bestimmten Situationen (Tierarzt, Auto fahren).

  • Der Ansatz:

    • Verstehen: Was löst die Angst aus? Wie äußert sie sich (Zittern, Speicheln, Flucht, Erstarren)?

    • Management: Den Hund schützen! Stressquellen vermeiden oder minimieren. Bei Gewitter eine sichere Höhle schaffen, bei Angst vor Menschen Abstand halten.

    • Gegentraining (Klassische Konditionierung): Der angstauslösende Reiz wird mit etwas Hochpositivem verknüpft. Das Ziel ist nicht, dass der Hund "brav" ist, sondern dass er eine positive emotionale Reaktion entwickelt.

      • Beispiel: Ein anderer Hund ist in der Ferne zu sehen -> Super-Leckerli vom Feinsten regnet es. Der Hund lernt: "Anderer Hund = Gutes passiert!" (Gegenkonditionierung).

2. Leinenaggression / Leinenreactivity

  • Das Problem: Der Hund bellt, knurrt oder springt an der Leine towards andere Hunde.

  • Die Ursache: Meist Frustration („Ich will da hin, aber die Leine hält mich auf!“) oder Angst („Der kommt mir zu nah, ich bin an der Leine eingeschränkt und kann nicht fliehen!“).

  • Der Ansatz:

    • Management: Auslöser vermeiden. Quer über die Straße gehen, Abstand halten. Ein Maulkorb kann Sicherheit geben.

    • Gegentraining: Der Hund lernt, einen anderen Hund nicht als Bedrohung oder Aufregungsquelle, sondern als Vorbote von Belohnungen zu sehen.

      • Sie sehen einen anderen Hund in sicherer Entfernung -> Sie markieren und belohnen, bevor der Hund reagiert.

      • Der Hund lernt: "Wenn ich einen Artgenossen sehe, schaue ich meinen Menschen an, denn das lohnt sich!" (Umlenkung auf ein Alternativverhalten).

3. Ressourcenverteidigung (Resource Guarding)

  • Das Problem: Der Hund knurrt, schnappt oder beißt, wenn man sich seinem Futter, Spielzeug, Kauknochen oder Schlafplatz nähert.

  • Der Ansatz:

    • Sicherheit first! Kinder fernhalten. Niemals den Hund beim Knurren bestrafen (das unterdrückt nur die Warnung, nicht die Motivation).

    • Gegentraining (Aufbau positiver Assoziationen):

      • Der Mensch nähert sich -> etwas Besseres fällt vom Himmel (ein Stück Wurst landet im Napf).

      • Der Hund lernt: "Die Annäherung meines Menschen ist super, denn sie bringt mir noch mehr Gutes!" (Der Mensch wird zur Belohnung, nicht zur Bedrohung).

    • "Tauschen" trainieren: Der Hund lernt, dass es sich lohnt, einen Gegenstand herzugeben, weil er dafür etwas Besseres zurückbekommt.

4. Probleme mit dem Alleinsein

  • Das Problem: Der Hund ist nicht stubenrein, zerstört Dinge oder bellt/heult, wenn er allein ist.

  • Der Ansatz:

    • Unterscheidung: Handelt es sich um Trennungsangst (panische Angst) oder um Langeweile/Unterforderung?

    • Training: Dies erfordert extrem kleinschrittiges Vorgehen.

      • Der Hund lernt schrittweise, dass Alleinsein okay ist: Zuerst nur für Sekunden, dann für Minuten, immer in einem entspannten Zustand.

      • Der Aufbau einer "positiven Alleinerbleib-Routine" (z.B. ein besonderer Kauknochen, den es nur dann gibt) ist entscheidend.

5. Jagdverhalten

  • Das Problem: Der Hund jagt Rehe, Katzen, Jogger oder Radfahrer.

  • Der Ansatz:

    • Management: Absolute Priorität! Der Hund wird an der Schleppleine geführt oder nur in eingezäunten Gebieten frei laufen gelassen. Ein Jagdausbruch ist selbstbelohnend und extrem gefährlich.

    • Gegentraining:

      • Der Notstopp und ein bombensicherer Rückruf werden unter hoher Ablenkung trainiert.

      • Der Hund lernt, sich lieber am Menschen zu orientieren, als dem Jagdtrieb nachzugeben (oft durch Nutzung seines Suchtriebs mit Suchspielen).

Die Rolle des Hundetrainers bei "Problemfällen"

Ein guter Trainer ist hier in erster Linie Verhaltensberater. Er:

  1. Analysiert die Ursache: Warum tut der Hund das? Ohne die Ursache zu verstehen, ist jede Behandlung nur Symptombekämpfung.

  2. Erstellt einen maßgeschneiderten Trainingsplan: Es gibt kein Pauschalrezept.

  3. Führt Sie als Halter sicher durch den Prozess: Sie lernen, die Signale Ihres Hundes zu lesen und richtig zu reagieren.

  4. Arbeitet mit Geduld und Empathie: Das Vertrauen eines Hundes mit Problemen gewinnt man nicht über Nacht. Es geht darum, ihm Sicherheit und eine neue, positive Strategie beizubringen.

Fazit: Egal wie tief ein Verhaltensmuster sitzt oder wie alt der Hund ist – mit Geduld, Konsequenz, den richtigen Methoden und oft der Hilfe eines professionellen Trainers lassen sich fast alle Probleme significantly verbessern. Das Ziel ist nicht Perfektion, sondern ein entspanntes und sicheres Miteinander.