Große Mythen im Hundetraining

Große Mythen im Hundetraining

  • Hundetrainer
  • Oktober 30, 2025
  • 4 Minuten

Hier sind einige der häufige im Hundetraining:

1. Der Alpha- bzw. Dominanzmythos

  • Der Mythos: "Du musst der Alphawolf für deinen Hund sein, sonst wird er dich dominieren und die Kontrolle übernehmen." Dazu gehören Ratschläge wie: "Iss immer vor deinem Hund", "Geh immer zuerst durch die Tür", "Gewinne jedes Tau-Spiel" und "Zeige dem Hund, wer der Boss ist, indem du ihn auf den Rücken drehst (Alpha-Roll)".

  • Die Wahrheit: Diese Theorie basiert auf veralteten Studien an Wölfen in Gefangenschaft, die nicht miteinander verwandt waren. In freier Wildbahn leben Wölfe in Familiengruppen, die kooperativ zusammenarbeiten, nicht in tyrannischen Hierarchien, in der ständig gekämpft wird.

    • Die Mensch-Hund-Beziehung ist keine Beziehung zweier rivalisierender Wölfe. Sie ist eine zwischenartliche Beziehung.

    • Der "Alpha-Roll" ist extrem gefährlich und kann zu Vertrauensverlust und defensiver Aggression führen.

    • Moderne Hundeerziehung basiert auf Vertrauen, Respekt und Kooperation, nicht auf Einschüchterung.

2. "Der Hund weiß, dass er etwas Falsches getan hat"

  • Der Mythos: Sie kommen nach Hause und finden ein zerbissenes Kissen. Der Hund sieht "schuldig" aus, duckt sich und schleicht weg. Die Interpretation: "Er weiß, dass er Unrecht getan hat und hat ein schlechtes Gewissen."

  • Die Wahrheit: Der Hund reagiert nicht auf die vor Stunden liegende Tat, sondern auf Ihre aktuelle Körpersprache und Stimmung. Sie sind verärgert, Sie sprechen mit strenger Stimme, Ihre Körperhaltung ist bedrohlich. Der Hund verknüpft diese Signale damit, dass Bestrafung folgen könnte (er hat das in der Vergangenheit gelernt). Die "schuldige" Miene ist in Wirklichkeit Angst und Unterwürfigkeit. Er hat kein moralisches Verständnis von "richtig" und "falsch".

3. "Einen alten Hund kann man nicht mehr erziehen"

  • Der Mythos: Was ein Hund in jungen Jahren nicht gelernt hat, kann er im Alter nicht mehr lernen.

  • Die Wahrheit: Hunde sind ihr Leben lang lernfähig! Auch ein alter Hund kann neue Verhaltensweisen lernen und alte ablegen. Die Methoden müssen vielleicht etwas angepasst werden (z.B. kürzere Trainingseinheiten, Rücksicht auf Gelenkprobleme), aber das Gehirn bleibt plastisch. Oft sind ältere Hunde sogar konzentrierter als verspielte Welpen.

4. "Mit Leckerlis zu trainieren ist Bestechung"

  • Der Mythos: Ein Hund sollte aus "Liebe und Respekt" gehorchen, nicht für Futter. Die Verwendung von Leckerlis wird als "Bestechung" abgetan.

  • Die Wahrheit: Leckerlis sind einfach eine effiziente und für den Hund verständliche Belohnung. Würden Sie ohne Gehalt arbeiten? Belohnungen motivieren und bestätigen. Mit der Zeit wird das Verhalten durch die Übung selbstbelohnend und die Leckerlis können langsam abgebaut ("ausgeschlichen") oder durch andere Belohnungen wie Spiel oder Lob ersetzt werden. Es geht darum, dem Hund klar zu kommunizieren, was wir von ihm wollen.

5. "Spielzeug zur Belohnung fördert Aggression"

  • Der Mythos: Wenn man mit einem Ball oder Zerrspiel belohnt, macht man den Hund aggressiv und besitzergreifend.

  • Die Wahrheit: Kontrolliertes Spiel mit Regeln (z.B. "Ausgeben" auf Signal) stärkt die Bindung und lehrt den Hund Selbstbeherrschung. Es ist eine fantastische Möglichkeit, hochmotivierte Hunde auszulasten und zu belohnen. Probleme entstehen nicht durch das Spiel selbst, sondern durch mangelnde Regeln und Frustration.

6. "Der Hund muss sofort perfekt gehorchen, immer und überall"

  • Der Mythos: Wenn ein Hund ein Kommando einmal gelernt hat, muss er es unter allen Ablenkungen sofort und perfekt ausführen.

  • Die Wahrheit: Hunde generalisieren schlecht. "Sitz" in der ruhigen Wohnung ist etwas völlig anderes als "Sitz" am randvollen Hundeplatz mit spielenden Artgenossen. Hundeerziehung funktioniert in drei Stufen: 1) Kommando in reizarmer Umgebung lernen, 2) Kommando unter Ablenkung üben, 3) Kommando in jeder Situation sicher abrufen. Das erfordert Geduld und systematisches Training.

7. "Bestrafung ist notwendig, um Grenzen zu setzen"

  • Der Mythos: "Ohne Strafe wird der Hund tun, was er will." Oft verbunden mit: "Der Hund muss die Konsequenzen spüren."

  • Die Wahrheit: "Grenzen setzen" bedeutet in der modernen Hundeerziehung vor allem Management (z.B. den Hund an der Leine führen, um das Jagen zu verhindern) und das Aufzeigen von Alternativen (z.B. "Statt an der Leine zu ziehen, lohnt es sich, bei mir zu bleiben"). Die effektivste "Konsequenz" für unerwünschtes Verhalten ist, dass es sich nicht lohnt (es wird ignoriert), während sich erwünschtes Verhalten lohnt (es wird belohnt). Strafung unterbricht oft nur das Verhalten kurzfristig, beseitigt aber nicht die Ursache und schädigt die Beziehung.

Warum halten sich diese Mythen so hartnäckig?

  • Tradition: "Das hat man schon immer so gemacht."

  • Schnelle, aber trügerische Erfolge: Ein Leinenruck unterbricht das Ziehen vielleicht sofort, aber er löst das Problem nicht nachhaltig und erzeugt oft neue Probleme wie Angst.

  • Vermenschlichung: Wir projizieren menschliche Emotionen und Gedankengänge auf unsere Hunde (z.B. "schuldig" aussehen).

Die moderne, wissenschaftlich fundierte Hundeerziehung hat diese Mythen widerlegt. Ein guter Trainer wird immer auf Methoden setzen, die auf Vertrauen, Verständnis und positiver Verstärkung basieren.